
Was verborgen bleibt
Wenn ich zurückdenke, dann wollte ich stets frei sein. Frei von Angst. Frei von Scham. Frei von Schuld. Und vorallem frei von beschränkenden Gedanken.
Je älter ich werden, je klarer sehe ich manche Situationen aus meiner Kindheit vor mir: Ein kleines Mädchen, wie es in seinem Zimmer vor seinem Regal steht und laut singt. In seiner ganz eigenen Sprache laute Worte vor sich her ruft und damit nicht enden möchte, weil ihm das Hallen des Raumes gefällt. Und auch Jahre später steht die nun erwachsene Frau noch in kleinen Kapellen, Höhlen und leeren Räumen und tut das Selbe mit Ihre eigenen Liedern.
Eigentlich bin ich eine Sängerin.
Eine deren Lieder von Herzen kommen und deren Lieder das wiederspiegeln, was sie erlebt hat. Meist drehen sich die Lieder um die Liebe. Um die Liebe zu Männern, aber auch um die Liebe zum Unterwegs sein, zur Natur und zur Freiheit.
Ich bin eine, die gerne jeden Tag einen langen Rock tragen würde, das aber nicht tut, weil es oft unpraktisch ist. Wobei dies nur die halbe Wahrheit ist, denn vorallem fürchte ich mich vor den Meinungen über meinen Hang zu Rücken, meiner Mitmenschen. Röcke, wie man sie vor vielen Jahren noch ganz selbstverständlich als Frau täglich zu tragen hatte, sind heute selten gesehen. Im Sommer mag es weniger auffallen, als im Winter. Ich besitze einen dicken Winterrock, den ich noch nie gewagt habe an der frischen Winterluft zu tragen. Diese Tatsache beschämt mich. Seit ich denken kann, habe ich lieber lange Röcke als Hosen getragen. Es ist, als würde dann mehr Energie vom Boden zu mir aufsteigen.
In langen Röcken kann ich die Erde besser spüren.
Doch lang reicht nicht, weit muss er sein. Sich beim Tanzen drehen, abheben, sich wiegen lassen, leicht und locker fallen. Meine Hüfte umspielen. Mich noch stärker zur Frau machen, so dass ich in meiner Weiblichkeit versinke.

Manchmal umarme ich Bäume, spreche mit Pflanzen und höre mir ihre Geschichten an. All meine Zimmerpflanzen tragen Namen. Ich fühle mich in der Weite verbunden. In der Weite des Waldes, des Meeres, aber auch der Wüste. Weite gibt mir genug Raum um einfach nur zu sein. Eins, mit allem. Eins sein mit allem ist für mich heilsam, erdend, notwendig. Barfuss gehen verbindet mich, weshalb ich vor einigen Jahren begonnen habe in Barfussschuhen zu gehen. Am liebsten gehe ich über weiche, federnde Böden. Z.B. die Moos- bewachsenen Böden Schwedens.
Mit Pferden fühle ich mich frei und im hier und jetzt. Genau wie sie, kenn ich dann kein gestern und kein morgen. Alles was zählt und bleibt ist der Moment. Atmen. Leben. Fliehen. Schweben. Sein. Sie tragen mich durch mein Leben. Geben mir Kraft, Halt und Erdung. Sanft, konsequent und voller Freude spiegeln sie mich schonungslos. Niemals fordernd, niemals barsch. Sie sind da, gehen an meiner Seite. Ganz egal durch welche Täler ich schreite. Mit ihnen in meiner Nähe, kann ich mich selbst nicht verlieren, bleibe in Verbindung mit dem Ursprung, wo wir alle herkommen.
Unterwegs muss ich sein, völlig unwichtig in welcher Weise.
Zu Fuss, auf dem Motorrad oder in meinem Van JJ. Veränderung muss mein «Sein» prägen. Nicht unbedingt «heute hier und morgen dort», aber stets in Wandlung. Ein andauerndes Loslasse und Ankommen. Ein stetiges Suchen und Finden, Fragen und Antworten. Ein ständiger Austausch zwischen Aussen und Innen. Dennoch mit meinem eigenen Lauf der Zeit. Manchmal dauern Veränderungen Jahre, manchmal geht alles in Sekundenschnelle. Das Unterwegs sein kennt keine Zeit, denn ich habe noch so viele Leben vor mir um mich zu wandeln.

Um mich leben Menschen. Ich liebe es, sie zu beobachten, sie tiefer zu verstehen, ihnen zu dienen, sie zu beraten. Ich mag es Hand in Hand zu gehen. Voller Vertrauen, ohne Wertung, langsam, tief, lächelnd. Einzutauchen in andere Welten, Universen von Persönlichkeiten. Manche meiner Freunde sind auf magische Weise miteinander verbunden, noch bevor sie sich je zuvor gesehen haben. Ein Netz umgibt manche von ihnen, dass sie alle verbindet, obwohl es da in diesem Leben keine Verbindung geben dürfte.
Vielleicht kennen wir uns alle schon viel länger, als wir denken.
Ich liebe es zu lieben und geliebt zu werden. Liebe das Leben. Ich liebe das Herzklopfen, verliebt sein, schweben, lächeln. Ich liebe es, dass wir lieben können. Liebe zu geben haben. Ich würde so gerne noch viel mehr und viel stärker lieben. Immer sofort in die Tiefe gehen. Vertrauen vom ersten Augenblick an. Jedem Wesen mit einem Vertrauensvorschuss begegnen und darauf vertrauen, dass ich niemals verletzte oder enttäuscht werden. Erfahrungen aus der Vergangenheit hindern mich noch zu häufig daran.
Tanz gibt mir Klarheit. Lässt mich versinken. In mir selbst, im Leben, der Musik, der Liebe zu mir selbst und bringt mich in Verbindung mit der Ewigkeit. Ich kann loslassen, auftanken, fühlen.
Ich bin so viel mehr, als du von aussen sehen kannst:
Bin mal vogelfrei und mal eine eingesperrte Taube. Mal unendlich stark und dann wieder kurz vor dem Tode. Ich bin schon heute Mutter, auch wenn noch nichts in meinem Unterleib wächst. War geliebte und habe selbst betrogen. Ich brauche ein Nest genauso wie die absolute Freiheit. War mal Opfer und mal Täter. Ich glaube an Drachen und spreche oft mit ihnen, ohne den Bezug zur Realität zu verlieren. Sorgen und körperliche Beschwerden übergebe ich dem Wind und den Pferden und erfahre immer wieder Heilung.
Ich bin so viel mehr als du von aussen sehen kannst und dennoch nicht immer frei von Angst. Ich schäme mich manchmal und fühle mich schuldig. Ich denke zu viel und enge mich damit selbst ein. Ich bin so viel mehr als du von aussen sehen kannst und so viel mehr als ich selbst für möglich halte…
