
Sommer in Schweden
Schweden im Winter war für mich ein kleiner Traum. Mir gefielen die kargen Weiten und die niedlichen roten Häuser im Schnee. Im Frühling hatte ich mich nur ungern von diesem schönen Land, das gerade in den Frühling zu erwachen schien, verabschiedet.
Tatsächlich hatte ich mich einmal mehr mit dem Gedanken dort zu leben befasst, nach dem ich dies bereits in Kanada mehrfach getan hatte. Doch bisher kannte ich das Land nur im Winter und ein Auswandern in ein Land, dessen Sommer ich nicht kannte, kam nicht in Frage. So war schnell klar, dass mein erster Urlaub auf Arbeit mich wieder in den Norden und natürlich nach Schweden führen würde.
Ich weiss nicht was ich erwartet hatte. Vielleicht wünschte ich mir innerlich leise, dass ich den schwedischen Sommer nicht mögen würde. Vielleicht hatte ich ein klein wenig gehofft, dass mich die fiesen, zahlreich vorhandenen Mücken ständig attackieren und ich den Sommer in Schweden deswegen ganz schrecklich finden würde. Vielleicht hatte ich auch ein klein wenig darauf gezählt, es möge dann langweilig sein, weil ich bereits ein halbes Jahr dort war und ich würde den „Spirit“ der Ranch vermissen, der für mich Schweden so einzigartig machte. Was auch immer ich gehofft hatte, das Gegenteil davon traf ein.
Ich liebte auch den Sommer in Schweden.
Die Mücken waren zwar vorhanden, jedoch niemals in der Intensität, in der ich es erwartet hatte. Und wenn sie dann doch einmal zahlreich erschienen, dann half ein Feuer, Mückenspray, lange Kleidung und zum Schluss die Flucht in den Van (kam nur einmal vor). Ganz nebenbei ist es auch so, dass die Stiche von Mücken in Schweden mich deutlich weniger stark juckten, als ich es mir z.B. von Mücken in der Schweiz oder Italien gewohnt war. Mag sein, dass schwedische Mücken weniger stark Schadstoffen ausgeliefert sind, welche den Mückenstich jucken lassen. Ich hatte auch Mückenschwärme an den Pferden erwartet, wenn man draussen durch den tiefen Wald reitet, stattdessen holte ich mir nur abends, oder nachts beim Gitarre spielen draussen einige Stiche.
Langweilig wurde es mir ebenfalls nicht. Ich erkundete die schwedische Westküste und sog die frische Meerluft rund um die Scheren oberhalb von Göteborg tief in mich ein. Meine Reise führte mich sogar bis an die norwegische Grenze und einige wenige Tage nach Norwegen selbst, wo ich Oslo besuchte und eine wunderschöne Wanderung durch den Wald machte.
Ich begeisterte mich für die frischen Farben auf den Feldern. Für die Fischerorte an der Küste und tauchte bei einem einzigartigen Sonnenuntergang tief in die bekannte Postkartenkulisse Smögens ein.
Ich war in meinem Van unterwegs und einmal mehr glücklich und frei.
Den ersten Teil meiner Reise allerdings verbrachte ich auf der Ranch52 auf der ich bereits den Winter verbracht hatte. Ich durfte mit Melanie in die Wälder reiten (einmal mehr danke dafür!), strich meine Stuga neu mit dem schönen Schwedenrot und ging am Mittwochabend ganz nach alter Manier mit ins Line Dance im nächsten Ort. Der Zufall wollte es, dass der Tanzkurs nach der Sommerpause gerade wieder begann und so war ich total happy diese Gelegenheit nutzen zu können und mich mal wieder zwei Stunden lang auszupowern.
Ich hatte es so sehr vermisst. Genau so wie alles Andere: die frische, klare Luft, die Ruhe am Abend, der Nebel über den Weiden am Morgen. Die wunderschönen Pferde, die vertrauten Leute, das Reiten, der Geruch nach den Pferden, die grünen Felder, das Moos im Wald. Alles war so unendlich vertraut. Auch wenn es anders daher kam, ein andres Kleid, nun eben das Sommerkleid trug, fand ich mich sehr schnell wieder ein. Die Routine kam sofort zurück und ich schätze sie enorm. Liess mich einmal mehr in sie hinein fallen. Genoss meine Zeit auf der Ranch.
Abends lief ich kurz vor Dämmerung mit meiner Gitarre in den Wald hinaus. In völliger Stille begann ich mein Instrument zu spielen. Lauschte dem Klang und liess schliesslich meine Stimme durch den Wald hallen. Zuletzt hatte ich so im letzten Sommer in Kanada in der Natur gespielt. Es war so dringend mal wieder Zeit gewesen, mich über die Musik mit der Natur zu verbinden. Ich fühlte mich unendlich geerdet, klein, gleichzeitig weich und fein. Es war einmal mehr ein Ankommen. Es fühlte sich an, als käme ich wieder zurück. Zurück zu mir selbst. Wie sehr hatte ich das musizieren in der Natur, draussen im Nichts nur für mich selbst, vermisst. Unmöglich in meiner Umgebung in der ich in der Schweiz lebe, einen solchen Ort zu finden. Aber hier in Schweden, da ging das wieder, genau so wie es in Kanada möglich gewesen war.
Ich hatte mich total auf meinen Sommer in Schweden gefreut. Es hatte sich angefühlt, als hätte ich wieder freier atmen können, als ich über die Öresundbrücke von Dänemark nach Schweden fuhr. Und dann ging die Zeit in diesem grossen Land dennoch so unendlich schnell wieder vorbei.
Als ich den Rückweg in die Schweiz antrat weinte ich als ich das Land verliess.
Ich weiss nicht, was ich erwartet hatte. Vielleicht hatte ich wirklich gehofft meine Sehnsucht würde kleiner werden, wenn ich dann von den Mücken zerstochen wieder über die Öresundbrücke aus Schweden hinaus fahren würde. Vielleicht hatte ich wirklich gedacht, es würde diesmal anders sein. Doch das war es nicht. Ich vermisse die Freiheit dort oben im Norden einmal mehr. Kanada und Schweden sind sich nicht umsonst so ähnlich. Lösen sie in mir doch ähnliche Gefühle aus. Die tiefe Sehnsucht nach Weite, Ruhe und Freiheit. Eine Sehnsucht, die durch diesen Urlaub einmal mehr nicht begraben, sondern viel mehr wieder erwacht ist. Mal sehen, wie lange ich es nun wieder in der kleinen Schweiz aushalte.









