Heimkehr

Heimkehr

Ein Jahr lang war ich unterwegs. Sechs Monate in einem Van durch den Sommer Kanadas und danach überwintern auf der Ranch in Schweden. Diese Zeit hat mich verändert und geprägt. Einmal mehr bin ich mit einem etwas anderen Blickwinkel in mein Heimatland zurück gekehrt. 

12 Monate lang war ich auf der Suche.

Nach dem nächsten schönen Campspot, nach dem Schnäppchen im Thrift Shop, nach frischem Wasser oder günstigem Benzin. Aber vorallem auch nach Zukunftsaussichten, Erkenntnissen und einem Stück mehr von mir selbst. 

Die Heimkehr ist stets das Ende einer Reise. Sie beginnt dann, wenn du in deinem Heimatland aus dem Flugzeug steigst. Dann, wenn du über die Rollbahn des Flughafen blickst und die dir bekannten Berge in der Ferne entdecken kannst. Spätestens dann wird dir unwiederruflich klar, dass deine Reise, auf die du dich zuvor so sehr gefreut hattest, nun zu Ende ist.

Flughäfen – der Ort, wo die Reise meist beginnt und auch wieder endet. Spätestens hier wird einem klar, dass man nun von einer Reise wieder heim kehrt.

Mein Jahr unterwegs hatte zwei Teile: Einen Reisenden und einen Statischen.

Ich war die erste Zeit in einem Van in Kanada unterwegs. Wir haben kaum eine Nacht an einem Ort verbracht. Nach sechs Monaten, mit dem Ende meines Touristen Visas in Kanada, habe ich das Land alleine, ohne meinen damligen Freund Tobi in Richtung Schweiz verlassen. Zehn Tage habe ich in der Schweiz verbracht, Freunde getroffen, mit meiner Familie Zeit verbrachte, bevor es dann für mich erneut los ging. Anfang November machte ich mich auf nach Südschweden, wo ich dann fast fünf Monate mit Urlaub gegen Hand auf einer Pferde Ranch verbrachte.

Ich habe in der Ruhe des schwedischen Winters überwintert und vorallem die erste Zeit dieses Aufenthaltorts so ziemlich durchgehend an ein und demselben Ort verbracht. Ein krasser Kontrast zu meinem vorherigen Leben “on the road”. (Mehr dazu findest du hier) Ich bin also bei meiner Rückkehr im Mai 2019 nicht so drastisch aus meinem Reisemodus gerissen worden, wie dies die Male davor der Fall war, in denen ich lange Zeit weg aus der Schweiz war. Ich hatte die Möglichkeit in Schweden noch einmal einen kurzen Roadtrip in meinem Van zu machen und dann langsam in die Schweiz zurück zu fahren. Ausserdem war ich Zwecks Weihnachtsbesuche und Arbeitsstellensuche zwei Mal für einige Tage in die Schweiz zurück gekehrt.

So fiel ich dann dieses Mal auch nicht, wie die Male zuvor, in eine krasse “post travel depression”. Ich hatte den Zeitpunkt meiner Rückkehr mehr oder weniger selbst gewählt. Natürlich wollte ich nicht umbedingt zurück, aber es war nicht diese heftige, innere Gegenwehr, die ich sonst jeweils gespürt hatte. Vielleicht war es die Ausbildung mit den Pferden, die es noch abzuschliessen galt. Vielleicht die Aussicht auf ein tolle WG Zimmer.

Abschiedskuss für “Mr. Fox” in Kanada – zwei Stunden später ging es mit dem Flieger zurück in die Schweiz.

Rückblick anhand dreier Fragen

Der Schriftsteller Jorge Bucay stellt in einem seiner Romane drei Fragen, welche mich schon recht lange begleiten:

“Wer bin ich? Wohin gehe ich? Und mit wem?” 

Ich finde diese drei Fragen eignen sich sehr gut, um meine Heimkehr nach dem dritten langen Auslandsaufenthalt etwas genauer unter die Luppe zu nehmen.

Die Frage danach wer ich bin, glaube ich inzwischen recht gut beantworten zu können. Ich habe mich in den letzten Jahren und gerade auch auf Reisen, gut selbst kennengelernt. Ich weiss was ich brauche damit es mir gut geht. Kenne meine Schwächen, kenne meine Komfortzone und das was passiert, wenn ich sie verlasse. 

Viel spannender ist dann schon die Frage “Wohin gehst du?” in meinem Leben. Wohin genau, das ist eine komplizierte Sache. Viel wichtiger für mich ist, dass ich überhaupt gehe. Natürlich habe ich Träume und Ideen wo ich gerne in einigen Jahren sein möchte. Doch das Leben hat mich gelehrt, dass man selten dort endet wo man eigentlich hin wollte. 

Ein wenig bewundere und beneide ich Menschen, die stets total geradelinig ihren Weg gehen. Sie scheinen genau zu wissen wo ihr Anfang und wo ihr Ende ist. Mit scheinbarer Leichtigkeit laufen sie immer schön gerade aus, einem inneren, roten Faden folgend. Dieser Faden ist irgendwie nie in meinem Leben angekommen und ich stelle es mir auch ziemlich langweilig vor immer nur dieser einen Schnur zu folgen. Wo bleiben da die gelben, blauen und grünen Fäden im Leben? 

Wenn ich zurück blicke, dann waren gerade die Zeiten in meinem Leben bisher die für mich prägendsten, die im ordentlichen Lebenslauf, mit dem ich mich bewerbe, am wenigsten wert sind.

Die Zeiten in denen ich nichts verdient habe, oder gereist bin. Die Zeiten in denen ich fast zwei Monate zwischen Reisen und einen Anschlussjob finden, mit sehr wenig Geld auf dem Konto, dennoch gut gelebt habe. In denen ich lernen durfte, dass man mit sehr wenig Geld auskommen kann, wenn man will (und muss). Was mir heute sehr viel Vertrauen und Sicherheit gibt betreffend Jobauswahl. Ich habe nicht mehr das Gefühl auf meinen jetzigen Job finanziell angeweisen zu sein. Ich weiss ich kann mit sehr wenig überleben. Und die Summe auf dem Konto, mit der ich mich noch sicher fühle, scheint jedes Jahr zu sinken.

Ich kann also vielleicht nicht ganz genau sagen wohin ich gehe. Kenne nur die nächsten Schritte, z.b. dass ich mich über den Winter intensiv mit Yoga beschäftigen werde. Doch ich weiss eines mit Sicherheit, nämlich dass ich gehe. Dass ich wachse. Dass ich definitiv nicht mehr das Gefühl habe stehen zu bleiben, so wie das lange Zeit der Fall war. 

Ich gehe – das ist ersteinmal genug. Die Strassen des Lebens sind unendlich

Bliebe noch die dritte Frage Jorge Bucays übrig: “Mit wem?” Mit mir selbst. Ersteinmal. Und mit einer kleinen Auswahl an Menschen, die mich schätzen, unterstützen, bereichern und als das akzeptieren was und wie ich bin. Mal sind diese Menschen näher bei mir, mal weiter weg. Doch ich fühle mich eigentlich selten einsam. Ich kann gut mit mir alleine. Manchmal fast zu gut, was mir dann z.b. auf nem Roadtrip bei dem ich mehrere Tage mit der gleichen Person verbringe, wieder klar wird.

In meiner letzten Beziehung durfte ich unendlich viel lernen. Über mich – in aller erster Linie. Und darüber, dass Liebe alleine manchmal einfach nicht reicht. 

Manchmal reicht Liebe alleine einfach nicht…

Doch wie ist es nun, wieder in der Schweiz anzukommen? Einfacher als die Male zuvor. Vielleicht liegt es daran, dass ich schon etwas Übung habe im zurück kommen, denn ich mache das ja jetzt schon das dritte Mal. Nur war ich dieses Mal doppelt so lange unterwegs als sonst. Ausserdem habe ich davor alles aufgelöst, kein WG Zimmer behalten, alles bei meinen Eltern eingelagert. Hatte das Auto verkauft, den Job gekündigt. Mich sogar in der Schweiz abgemeldet. Ich bin gegangen, mit der Option lange weg bleiben zu können und das habe ich dann auch getan. Ich habe mich noch ein Stück rigoroser für einen Neustart entschieden als zuvor. Vielleicht führte das dann auch dazu, dass ich wirklich gewisse Blockaden auflösen, Dinge hinter mir lassen und ein Stück neu Anfangen konnte. 

Auf alle Fälle hatte ich bei meiner Heimkehr grosses Glück. Ich fand eine tolle WG, die mir durch ihre tollen Bewohner neue Horizonte öffnet. Ich fand eine Anstellung auf meinem alten Beruf. Wo ich zwar erstmal sehr ehrlich klären musste was für mich funktioniert und was nicht. Doch auch dort durfte ich merken, dass ich gewachsen bin. Ich bin mutiger, freier, klarer in dem was für mich stimmt und was nicht. Mir fällt es durch meine grössere innere Freiheit leichter mich deutlich zu äussern, ohne Angst vor Kündigung oder Konsequenzen.

Wenn es nicht passt, dann wird etwas Anderes kommen. 

So bin ich nun drei Monate schon wieder in meinem Heimatland und noch plagt mich nicht das grosse Fernweh. Natürlich gäbe es vieles was ich gerne sehen würde. Und ich will und kann mich auch nicht festlegen wie lange es mich diesmal in der kleinen Schweiz hält. Auch wenn das die wohl meist gestellte Frage von Freunden und Familie ist. Erstmal bin ich hier. Mehr kann ich dazu nicht sagen. 

Bleibt die Frage woran es liegt, dass ich diesmal leichter in der Schweiz ankomme? 

Vielleicht daran, dass ich häufig mehrere Tage am Stück arbeite, die Arbeit mich aber nur mässig fordert und ich dann viele Tage am Stück frei habe. Das gibt mir die Chance mit meinem Van für einen Kurztrip weg zu fahren. Und das wiederum fühlt sich dann immer wieder ein bischen nach Freiheit und Abenteuer an. So schleicht sich kaum ein Alltag ein. 

Mit dem Van unterwegs durch den Sommer.

Vielleicht daran, dass ich viel mit den Pferden arbeite. Etwas intensiver als vor dieser Reise. Und dadurch einen besseren Ausgleich finde. 

Vielleicht daran, dass ich durch die neue Arbeits- und Wohnsituation neue Menschen treffe, was ich spannend finde und auch beim Reisen oft vorkommt. 

Vielleicht aber auch einfach daran, dass man nach einem ganzen Jahr weg aus seinem Heimatland länger braucht um wieder sofort los zu wollen und alles hinter sich zu lassen. Die Male zuvor war ich bei meiner Heimkehr noch total im “reise Modus”. Dieses Mal war das durch den Winter in Schweden, wo ich bereits an einem Ort geblieben bin, anders. Ich habe in dem halben Jahr Kanada ausserdem extrem schnell, extrem viel gesehen. Die Verarbeitung dauert bis heute an. 

Doch gut möglich, dass die vermeimdliche Ruhe täuscht und mich bald wieder das Reise Fieber packt. Wir haben es hier ja bekanntlich mit einem sehr heimtückischen Virus zu tun. Er lebt in einem und bricht dann plötzlich wieder aus. Geheilt wird man von ihm wohl nie ganz…

Das Reisefieber bleibt. Es mag ruhen, doch irgendwann bricht es wieder aus.

 

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