
„Urlaub gegen Hand“
2015 machte ich das erste Mal Bekanntschaft mit dem Konzept „work for stay“ in Kanada. Gegen Kost und Logis half ich damals auf einer Pferde- Gäste Ranch in BC mit. Eine Zeit die mein Leben nachhaltig positiv beeinflusst hat. Nun stehe ich am Ende eines zweiten solchen Aufenthaltes, denn mein halbes Jahr auf einer Ranch in Schweden ist vorbei.
Was 2015 mit der Seite workaway.info begann, fand diesmal seinen Anfang über die Gruppe „Urlaub gegen Hand“ auf Facebook. Egal ob über workaway oder Facebook, das Konzept ist eigentlich immer das Gleiche. Es gibt Menschen welche Hilfe in ihrem Unternehmen, auf ihrem Hof, in ihrem Garten oder bei der Kinderbetreuung benötigen und Menschen, die nach einer Auszeit oder neuen Erfahrungen suchen. Workaway und “Urlaub gegen Hand” bringen diese Menschen dann zusammen.
Die Bedingungen des Aufenthaltes werden im Vorneherein miteinander besprochen. Man hilft meist gegen eine Unterkunft und Verpflegung für eine gewisse Zeit mit. Die Arbeiten sind meist vorher schon festgelegt, das variiert aber von Angebot zu Angebot. Manchmal werden vier bis sechs Stunden täglich vorgesehen, manchmal soll man nur eine Stunde mithelfen. Manche Angebote sind mehr auf den sozialen Kontakt ausgerichtet, andere auf das konkrete Erlernen neuer Dinge. Erfahrungsgemäss findet man über workaway.info eher längere Einsätze, wobei in der Gruppe “Urlaub gegen Hand” häufig nur für kurze Einsätze Menschen gesucht werden. Es gibt aber auch dort Ausnahmen, so wie z.B. dem Ranchstay den ich jetzt in Schweden gemacht habe. Ich war im Endeffekt sechs Monate hier in diesem wunderschönen Land.
Die Zeit ist einmal mehr so unendlich schnell verflogen und es ist so viel geschehen im letzten halben Jahr, das ich hier auf der Ranch verbracht habe. In zwei Tagen werde ich mich für ein Erstes verabschieden und zu einem Roadtrip durch Schweden aufbrechen. Seit ende Dezember 2018 bin ich nämlich stolze Besitzerin eines alten Toyota hiace Vans. Mein kleiner Bus ist zwar schon ziemlich alt, hat mich aber bisher schon sehr zuverlässig aus der Schweiz nach Schweden gebracht und auch hier vor Ort geniesse ich die neue Freiheit in meinem Van. Durch den fahrbaren Untersatz hat sich mein Leben hier auf der Ranch etwas verändert. Ich fahre öfters mal zum Einkaufen, oder schaue mir schöne Orte in der Gegen an. Ich habe den Van erst seit ende Februar hier oben und manchmal fühlt sich die neue Freiheit ein wenig wie ein sanftes Abnabeln vom Ranchleben an. Ich bin plötzlich frei und doch fliege ich noch nicht wieder ganz aus. Na ja, jetzt ja eben doch bald. Leider.
Die „Urlaub gegen Hand“ – Zeit hat mir persönlich einmal mehr viel gebracht.
Ich kam in einer (bröckelnden) Beziehung hier her. Habe mich getrennt und konnte danach zur Ruhe kommen. Ich habe den Mut für eine Ausbildung mit den Pferden gefunden. Hatte endlich mal einen geregelten Alltag, der mich einfach nur glücklich gemacht hat. Ich hatte Zeit für mich. Und, ganz wichtig: Ich habe einmal mehr unheimlich tolle Menschen getroffen, von denen ich viel lernen durfte und die mir unheimlich viel Vertrauen und Offenheit entgegen gebracht haben.
Es gibt Menschen, die denken, dass “Urlaub gegen Hand” einer Ausbeutung gleicht und dass man dumm sei wenn man ohne finanzielle Entlohnung für andere Menschen arbeitet. Ich glaube, dass wir, würden wir allgemein mehr in solchen Konzepten leben, glücklicher wären. “Urlaub gegen Hand” entspricht so voll und ganz meinem Weltbild. Hier schaffe ich, was ich in meiner Arbeit als Sozialpädagogin oft nicht hinkriege. Es ist wahre und echte Nächstenliebe (ohne religiös zu sein), ein echtes Miteinander, ein sich gegenseitig helfen, mit einer Selbstverständlichkeit, die viel mehr verbindet, als es irgend eine Arbeitsstelle von mir bisher geschafft hätte. Menschen öffnen die Türen zu ihrem Leben, zu ihrem Alltag und lassen ihnen fremde Menschen hinein. Fremde Menschen treffen sich, leben miteinander und werden Freunde. Klare Grenzen, klare Kommunikation, ein wertschätzender Umgang und eine grosse Portion Kompromissbereitschaft vorausgesetzt.
Ich habe mich auf der Ranch sehr zuhause gefühlt. Es hat sich nach meinen kurzen Besuchen in der Schweiz stets wie ein Nachhause kommen angefühlt. Und auch jetzt, wenn ich von einem Trip mit meinem Van zurückkehre, dann komme ich heim, wenn ich mein kleines Holzhäuschen betrete. Mir hat dieser Ort Raum gegeben. Raum um zu wachsen. Ohne den Stress Geld verdienen zu müssen. Ohne den Stress immer 100% genügen zu müssen. Ohne den Stress stets perfekte Arbeit abliefern zu müssen. Es war dennoch genug und ich wusste es wurde geschätzt, dass ich da war.
Menschen haben Träume.
Träume wie ich sie ebenfalls habe. Sie wollen Orte schaffen. Orte wie die Ranch hier, wo man wunderschöne Ausritte in der Natur, aber auch tollen Unterricht auf dem Platz mit den Pferden erleben kann. Ein Ort an dem man über die Pferde mit der Natur in Kontakt kommt, an dem man sich entspannen und wachsen kann. Es gibt Menschen dort draussen, die viele Strapazen auf sich nehmen um aus dem Hamsterrad des Systems ein wenig auszusteigen und etwas auf die Beine zu stellen, was für so viele Menschen dann wertvoll wird. Orte wie diese Ranch, von der ich nun fast sechs Monate lang ein Teil war. Weil es mich gebraucht hat, um das ganze System über den Winter am Laufen zu halten. Um Kräfte zu sparen. Um die Nerven zu behalten. Um das Projekt am Laufen zu halten. Um die Pferde gesund zu erhalten, damit sie im Frühjahr wieder fit für die Sommersaison sind, die nun mal das Geld bringt.
Ich war Teil eines Ganzen. Teil eines Ortes, der für so viele Menschen unheimlich wertvoll ist. Ich bin unheimlich dankbar durfte ich ein Teil davon sein. Durfte ich mit anpacken und mich mit einbringen. Ganz nebenbei durfte ich ganz viel lernen. Die Zeit für eine Ausbildung nutzen und die Natur eines Landes kennenlernen, das mir so sehr ans Herz gewachsen ist, dass ich mir sogar ein Leben hier vorstellen könnte.
Bereits meine erste“work for stay“ Erfahrung 2015 hat mein Leben positiv bereichert. Und diese “Urlaub gegen Hand” Erfahrung hat es einmal mehr. Und so verlasse ich unendlich dankbar und mit ganz viel Glück in meinem Herzen die Ranch 52, die ich seit November 2018 mein Zuhause nennen durfte. Ich gehe zurück in die Schweiz und schicke all den Menschen und Tieren die ich hier traf ein fröhliches „hej då“ hinterher. Denn ich weiss ich werde wieder kommen, sobald ich kann. Orte wie diese Ranch braucht diese Welt. Hat man sie einmal gefunden, dann sollte man sie nicht mehr loslassen.



